Dissertation

"Methoden zur zuverlässigkeitsorientierten Optimierung
der Aufbau- und Verbindungstechnik von Hochleistungs-Diodenlaserbarren"



Dirk Lorenzen
Diplom-Physiker
aus Jena

von der Fakultät IV - Elektrotechnik und Informatik -
der Technischen Universität Berlin
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der Ingenieurwissenschaften - Dr.-Ing. -
genehmigte Dissertation

Promotionsausschuß:
Vorsitzender: Prof. Dr.-Ing. Hans-Ulrich Post
Berichter: Prof. Dr.-Ing. Dr. E.h. Herbert Reichl,
Prof. Dr. rer. nat. Thomas Elsässer (Humboldt-Universität Berlin)

Tag der Einreichung (Poststempel): 21.01.2003
Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 01.09.2003

Veröffentlichungsmonat: Oktober 2003
Veröffentlichungssprache: deutsch
ISBN 3-89574-502-2
erschienen im Verlag Dr. Köster


ZUSAMMENFASSUNG

Die Zuverlässigkeit eines Hochleistungs-Diodenlaserbarrens hängt wesentlich von seiner mechanischen Beanspruchung im Montageprozeß und von seiner thermischen Beanspruchung im Betrieb ab. Außerdem spielt die Ermüdungsfestigkeit des zur Montage verwendeten Lotes eine wichtige Rolle für die Langlebigkeit des Bauelements.

In der Arbeit werden Design-, Berechnungs- und Meßmethoden vorgestellt, um den Aufbau und die Montage von Hochleistungs-Diodenlaserbarren unter zuverlässigkeitstechnischen Aspekten zu optimieren. Die Designmethoden geben Geometrie und Randbedingungen für eine analytische und numerische Erfassung, Quantifizierung und Minimierung der Problemkenngrößen Temperatur und mechanische Spannung vor. Die Meßmethoden dienen zum Nachweis der erfolgten Optimierung am Meßobjekt, dem Laserbarren selbst.

Die genannten Methoden werden speziell auf das Gebiet der Mikrokanalkühlung angewandt sowie auf die Montage mit einem plastischen Weichlot und auf ausdehnungsangepaßte Substrate, die für die Hartlotmontage geeignet sind.

INHALTSVERZEICHNIS

(die Zahlen in Klammern geben die Seitenanzahlen
des betreffenden Abschnitts wieder)

1   Einleitung (2)1
2   Hochleistungsdiodenlaser (26)3
        2.1   Struktur und Herstellung von Diodenlasern (5)4
        2.2   Die Leistungs-Kennlinie eines Diodenlasers (4)9
        2.3   Optische Eigenschaften von Diodenlasern (6)13
        2.4   Zuverlässigkeit und Alterung von Diodenlasern (9)19
        2.5   Produktentwicklung von Diodenlasern (1)28
3   Methoden thermischer Optimierung (46)29
        3.1   Kühlung von Diodenlasern (9)29
              3.1.1   Definition des thermischen Widerstands (2)29
              3.1.2   Kühlungstechniken für Diodenlaser (5)31
              3.1.3   Formulierung des thermischen Optimierungszieles (2)36
        3.2   Funktionsweise von Mikrokanalkühlern (6)38
              3.2.1   Topologie von Mikrokanalkühlern (3)38
              3.2.2   Thermische Berechnungsmodelle für Mikrokanalkühler (3)41
        3.3   Thermischer Widerstand von Mikrokühlkanälen (14)44
              3.3.1   Konvektive Wärmeübertragung in Mikrokühlkanälen (4)44
              3.3.2   Thermischer Widerstand einer 2D-Mikrokanalstruktur (5)48
              3.3.3   Thermohydraulische Optimierung von Mikrokühlkanalstrukuren (5)53
        3.4   Thermischer Widerstand von Mikrokanalkühlern (17)58
              3.4.1   Wärmeeintrag und Kühlwassererwärmung (5)58
              3.4.2   Ergebnisse aus verschiedenen Berechnungsmodellen (4)63
              3.4.3   Ermittlung der optimalen Deckschicht-Abmessungen (3)67
              3.4.4   Thermische Strukturoptimierung von Laserbarren (5)70
4   Methoden mechanischer Optimierung (44)75
        4.1   Aufbau- und Verbindungstechnik von Diodenlasern (9)  75
              4.1.1   Aufbautechnik von Diodenlasern (2)76
              4.1.2   Verbindungstechnik von Diodenlasern (5)78
              4.1.3   Formulierung des mechanischen Optimierungszieles (1)83
        4.2   Elastische Thermomechanik von Mehrschichtsystemen (14)  84
              4.2.1   Grundlagen der elastischen Mechanik (6)84
              4.2.2   Zweischichtverbindungen (3)90
              4.2.3   Dreischichtverbindungen (5)90
        4.3   Plastische Thermomechanik von Mehrschichtsystemen (12)  98
              4.3.1   Grundlagen der plastischen Mechanik (3)98
              4.3.2   Pseudo-elastisches Modell plastischer Fügezonen (3)101
              4.3.3   Spannungsreduzierung bei Indiumlötungen (6)104
        4.4   Spannungsarme Aufbautechniken (9)  110
              4.4.1   Relaxative Aufbautechniken (2)110
              4.4.2   Ausdehnungsanpassende Aufbautechniken (4)112
              4.4.3   Gemischte Aufbautechniken (3)116
5   Mechanische Analysen von Diodenlaserkomponenten (26)119
        5.1   Thermomechanische Meßmethoden (15)  119
              5.1.1   Elektronische Specklemuster-Interferometrie (5)119
              5.1.2   Laser-Reflexionspolarimetrie (5)124
              5.1.3   Photostrom-Spektroskopie (5)129
        5.2   Ergebnisse mechanischer Analysen (11)  134
              5.2.1   Substratinduzierte Emittervereinzelung (3)134
              5.2.2   Plastisch gefaßte Konterschichten (3)137
              5.2.3   Ausdehnungsangepaßte relaxative Schichtsysteme (5)140
6   Thermische Analysen von Diodenlasern (20)145
        6.1   Bestimmung des thermischen Widerstands (9)  145
              6.1.1   Temperaturverteilung im Diodenlaserbarren (3)145
              6.1.2   Messung der Erwärmung im cw- und Pulsregime (3)148
              6.1.3   Fehlereinflußanalyse und -abschätzung (3)151
        6.2   Ergebnisse thermischer Analysen (11)  154
              6.2.1   Kaskadenkühler aus Kupfer (4)154
              6.2.2   Einsatz von Diamantwärmespreizern (4)158
              6.2.3   Einzelansteuerbare Emitter (3)162
7   Diskussion der Ergebnisse (8)165
        7.1   Qualifizierung der Methoden mechanischer Optimierung (5)  165
              7.1.1   Bewertung der mechanischen Analysemethoden (2)165
              7.1.2   Mechanische Eigenschaften der Diodenlaserkomponenten (3)167
        7.2   Qualifizierung der Methoden thermischer Optimierung (3)  170
              7.2.1   Optimierungsstrategien für die Kühlung von Diodenlasern (1)170
              7.2.2   Thermische Eigenschaften der Diodenlaser (2)171
8   Schlußfolgerungen und Ausblick (1) 173
ANHANG (24)  175
Materialparameter (3)  176
Formelzeichen (6)  179
Abkürzungen (2)  185
Literatur (7)  187
Veröffentlichungen (2)  194
Danksagung (2)  196
Lebenslauf (1)  198


INHALTSBESCHREIBUNG

Hochleistungs-Diodenlaserbarren sind elektro-optische Bauelemente aus GaAs mit einer relativ großen lateralen Ausdehnung von etwa 10 mm. Ihre Zuverlässigkeit hängt insbesondere von ihrer thermischen Beanspruchung im Betrieb und ihrer mechanischen Beanspruchung bei der Montage ab. Außerdem ist sie mit der Migrationsfestigkeit des zur Montage verwendeten Lotes korreliert. Aufgabe einer zuverlässigkeitsorientierten Optimierung der Aufbau- und Verbindungstechnik von Hochleistungs-Diodenlaserbarren ist es, die thermische Beanspruchung im Betrieb und die mechanische Beanspruchung bei der Montage - vorzugsweise mit einem langzeitstabilen Hartlot - zu minimieren.

Die effektivste Kühlung für Laserbarren ist die Mikrokanalkühlung mit Wasser als Kühlmittel (die sogenannte aktive Kühlung). In der vorliegenden Arbeit werden zwei Berechnungsmodelle zur Bestimmung des thermischen Widerstands von Mikrokanalkühlern entwickelt - ein rein analytisches und eines, das eine vereinfachte Methode finiter zweidimensionaler Elemente nutzt. Besondere Berücksichtigung fand dabei der Wärmeeintrag an der dem Laserbarren zugewandten Seite der Mikrokanäle und erstmalig der Wärmeeintrag in die Versorgungsstrukturen, die an der dem Laserbarren abgewandten Seite der Mikrokanäle liegen. Gerade der letztgenannte Einfluß führt zu einer deutlichen Reduzierung des thermischen Widerstands. Das spiegelte sich auch im Vergleich mit dem Experiment an Standardkühlern aus Kupfer wider: Die gemessenen Werte von 0,5 K/W stimmten im Rahmen des Meßfehlers mit denen aus der Theorie überein.
Mit Hilfe des analytischen Modells zur Berechnung der thermischen Widerstände wurden zunächst Größe, Form und Anzahl der Kanäle optimiert. Später wurde die Optimierung der Kanalstruktur auf die besonderen Anforderungen der aktiven Kühlung in betriebsfreundlichen Diodenlaserstapeln zugeschnitten, indem auch die Lage, Orientierung und Reihenfolge der Kanäle bezüglich eines seriell durch sie erfolgenden Durchflusses optimiert wurden. Die resultierenden, besonders leistungsfähigen Kaskadenkühler wurden erstmalig im Rahmen dieser Arbeit entwickelt und charakterisiert.
In Ergänzung zur Reduzierung des thermischen Widerstandes von Mikrokanalstrukturen wurde ein Optimierungsweg für die Dicke der Wärmespreizungsschicht zwischen Laserbarren und Mikrokanälen vorgeschlagen. Für Wärmespreizer aus Diamant wurden Aufbauten mit integrierten Kühlkanälen und einer mittigen Montage des Laserbarrens realisiert, die thermische Widerstände von 0,2 bis 0,25 K/W aufwiesen. Die Kombination beider Varianten verspricht thermische Widerstände von unter 0,15 K/W.
Darüber hinaus wurden zwei Methoden zur thermischen Optimierung einer an die herrschenden Kühlungsbedingungen angepaßte Laserbarrenstruktur entwickelt. Damit wurde erstmals ein umfassendes analytisches Optimierungswerkzeug zur Reduzierung der thermischen Beanspruchung von Diodenlaserbarren geschaffen.

Standardmäßig werden Laserdiodenbarren mit einem hoch plastischen Weichlot auf Kupfer-Wärmesenken montiert, um die mechanische Spannung, die beim Lötprozeß aus der Differenz der thermischen Ausdehnungskoeffizienten der Fügepartner resultiert, möglichst gering zu halten. Vor Beginn dieser Arbeit gab es noch keine Berechnungen von Spannungsverteilungen in plastisch montierten Laserbarren und ebensowenig Meßwerte derselben.
Es wurde daher in Weiterentwicklung des SUHIR-Modelles eine analytische Lösung für den Spannungsverlauf über die Breite von Laserbarren bei Verwendung einer plastischen Lotschicht zwischen Laserbarren und Wärmesenke ermittelt. Die Kurvenform dieser Lösung besitzt einen hyperbolischen Charakter. Mit der Einführung eines pseudo-elastischen Zugmoduls konnte eine vereinfachte Methode finiter zweidimensionaler Elemente zur Anwendung kommen. Das Ergebnis ihrer Rechnung stimmt mit dem von numerischen elastoplastischen 3D-Rechnungen hervorragend überein. Die Kurvenform des Spannungsverlaufs aus diesen Rechnungen zeigt einen nahezu linearen Spannungsabfall von der Mitte des Bauelementes zum Rand, der typisch ist für rein plastische Montagen.
Diese Form des Spannungsverlaufes wurde auch durch die Messungen bestätigt. Zur Spannungsmessung selbst kamen zwei neuartige Verfahren erstmalig im Zusammenhang mit dieser Arbeit zur Anwendung: Zum einen das am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie in Berlin entwickelte Verfahren der Photostrom-Spektroskopie und zum anderen die Laser-Reflexionspolarimetrie. Die Neuheit bei der Anwendung des zweiten Verfahrens liegt in der auf den Laserbarren angepaßten rasternden Abtastung der Verspannung im GaAs-Kristall in Resonatorrichtung. Während durch die Rechnung mit dem pseudo-elastischen Zugmodul maximale Spannungswerte von 70 MPa im Laserbarren vorhergesagt wurden, lieferte die Photostrom-Messung ein Wert von 60 MPa. Dies ist eine größenordnungsmäßig gute Übereinstimmung der Spannungswerte aus Theorie und Experiment. Das Ergebnis verdeutlicht die weichlotbedingte Reduzierung der Maximalspannung im Laserbarren auf 40 % desjenigen Wertes, der sich ohne eine Lotfuge ergeben würde.

Mit dem Ziel, eine möglichst spannungsarme Montage zu erreichen und gleichzeitig einen hohen Anteil des besonders hoch thermisch leitfähigen Diamants in Laserbarrennähe vorzusehen, wurden entsprechende Methoden der Aufbau- und Verbindungstechniken entworfen, optimiert und realisiert sowie ihr Nutzen experimentell überprüft und verifiziert. Erstmalig im Rahmen dieser Arbeit wurden die Techniken der Substratinduzierten Emittervereinzelung, der Plastisch Gefaßten Konterschichten und der Relaxativen Ausdehnungsangepaßten Schichtsysteme vorgestellt. Die Ermittlung der optimalen Dimensionierung der Relaxativen Ausdehnungsangepaßten Schichtsysteme wurde durch die Messung thermisch erzeugter Deformationen mit Hilfe von Elektronischer Specklemuster-Interferometrie unterstützt.
Alle drei Montagetechniken ermöglichen eine Verbindung der Laserbarren in einer Nähe zum Diamant von unter 35 µm Entfernung und eine deutlich reduzierte montagebedingte mechanische Spannung im Bauelement gegenüber den Standardtechniken, zum Teil von unter 10 MPa. Keine der drei Techniken kann allerdings gleichzeitig alle drei Forderungen nach optimaler Kühlung, bauteilübergreifender biaxialer Spannungsarmut und Hartlotmontage erfüllen. Auf Grundlage der in dieser Arbeit entwickelten Techniken kann dieses Ziel aber voraussichtlich in Zukunft erreicht werden.